Landau.
Krisen, Kriege, Horrormeldungen. Die unruhigen Zeiten haben ihre Spuren in der Gesellschaft hinterlassen und für Anspannung, Stress und schlechte Stimmung gesorgt. Dies sei kein Zufall, sondern habe System, sagte Prof. Dr. Volker Busch am Samstag in der Stadthalle in Landau. Eingeladen hatte der Caritas-Kreisverband. Vorsitzender Martin Hohenberger und Sandra Hindelang, Diplom-Psychologin der Beratungsstelle für seelische Gesundheit, begrüßten den Regensburger Neurowissenschaftler, Psychiater und Bestseller-Autor zum Vortrag "Kopf hoch!" in der ausverkauften Stadthalle.
Deutschland gehe es gar nicht so schlecht, wie es viele Aktivisten immer darstellen, sagt Busch in seinem Vortrag. Er sei international sehr stark vernetzt und kenne die Meinung außerhalb Deutschlands. "99 Prozent aller Menschen würden sofort mit uns tauschen, wenn sie könnten", erklärte Busch. Eine Ursache ist die Überreizung durch die Menge täglicher Informationen. Studien von der University of California zeigen, dass heutzutage das Gehirn mit einer durchschnittlichen Informationsmenge von 30 bis 40 Gigabyte geflutet wird. Zum Vergleich: Das ist ungefähr die Informationsmenge, die ein Bauer im 18. Jahrhundert in seinem ganzen Leben bekommen hat.
Wie Sprache die Gedanken formt
Eine große Arbeit aus Australien untersuchte, wie sich die Sprache ändert, mit der Menschen über die Zukunft reden, stellte Busch vor. Dabei wurde festgestellt, dass die negativen Begriffe zunehmen. Eine andere Studie zeigte, dass kein Land so negativ spreche wie Deutschland. "Deutschland ist abgeschlagen auf Platz 1 danach kommen irgendwann die Ösis. Die Portugiesen sind auf dem letzten Platz, die kennen anscheinend keine negative Sprache", so Busch.
Bereits Marc Aurel, der römische Kaiser und Philosoph, habe vor fast 1.900 Jahren festgestellt, dass auf die Dauer die Seele die Farbe der Gedanken annehme. Sigmund Freud stellte sich vor, dass die Psyche eines Menschen ein Bläschen ist, welches von einer Membran umgeben ist. Die Umwelt drückt auf dieses Bläschen, und wenn der Druck zu viel wird, wird dieses Bläschen gereizt. "Ich finde, es ist ein wunderschönes Bild, weil man die gereizten Bläschen anhand von verschiedenen Symptomen sieht." Manche Menschen würden ängstlich andere zunehmen reizbar, erklärte Busch.
Dafür sei im menschlichen Hirn die Amygdala verantwortlich. Dieses Kerngebiet ist an der Furchtkonditionierung beteiligt und spielt allgemein eine wichtige Rolle bei der emotionalen Bewertung und Wiedererkennung von Situationen sowie der Analyse möglicher Gefahren, erklärte der Wissenschaftler. Die Amygdala ist wichtig für die Empfindung von Angst oder Furcht. Die konstante Beanspruchung unter anderem durch negative Sprache führe zu einer Stresssituation.
35 Prozent der Deutschen fühlten sich psychisch derzeit nicht vollständig gesund. "Das hat ganz viel damit zu tun, dass heute ständig einer da ist, der unsere Angstzentren berührt", erklärte Busch.
Eine Untersuchung der Universität Konstanz hat festgestellt, dass es während der Corona-Pandemie nie einen Mangel an Toilettenpapier gegeben habe. "Es war eine reine Angstillusion" erklärte Busch die damaligen Hamsterkäufe. "Die Angst war größer als die Realität. Dies ist typisch für die Ängste des Menschen. Die sind fast immer übertrieben. Im Kern sind die Ängste berechtigt, aber die Amplitude ist fast immer zu hoch."
Die Stimmung ist meist schlechter als die Lage
Zusätzlich kommt hinzu, dass Menschen nicht gut schätzen können. Dies beginne mit dem Gewicht und gelte auch für die Zukunft. Dies führt dazu, dass es in den meisten Fällen zu einer Ereignisüberschätzung und einer Bewältigungsunterschätzung kommt. Überwiegend werde das Negative überschätzt.
Montaigne (1533 - 1592) hat bereits zu seiner Zeit gesagt: Mein Leben war voller schrecklicher Unglücke, von denen die meisten nie eingetreten sind. Im Durchschnitt erleidet jeder fünf Lebenskrisen und in 70 Prozent der Lebenskrisen entwickeln sich die Dinge besser als erwartet. Selbstverständlich kommt es auch vor, dass es schlechter kommt als erwartet. "Aber im Durchschnitt kommt es besser", sagte Busch.
Pessimist oder Optimist? Besser Possibilist
Busch erzählte auch die Geschichte der drei Frösche in der Sahne. Der pessimistische Frosch gab auf und ging unter. Auch der optimistische Frosch ging unter, da er davon ausging, dass alles schon gut werden würde. Nur der dritte Frosch begann zu strampeln und schlug die Sahne zu Butter und entkam. Pessimismus und Optimismus helfen im Leben nicht weiter, denn beide Geisteshaltungen machen jemanden passiv, sagte der Psychiater und Neurologe. Es sei der Possibilismus, die Einstellung des dritten Frosches, welche jemanden aktiv werden lässt. "Dies ist auch die Einstellung, die uns immer weiter nach vorn gebracht hat und die Menschheit immer noch voranbringt." Man solle für die Möglichkeiten offenbleiben und sie nutzen, appellierte Busch an die Zuhörer in Landau.
Von Alexander Flexeder