Es scheint, dass Krisen und Konflikte kein Ende nehmen: erst Corona, dann der Ukraine-Krieg und nun die Angst um soziale Standards aufgrund flauer Konjunktur, Preissteigerung und immer mehr Digitalisierung. Tatsächlich sind die Terminbücher bei Spezialisten für das seelische Befinden wie Sandra Hindelang gut gefüllt. Die Diplom-Psychologin des Caritas-Kreisverbands sprach mit unserer Redaktion über den wachsenden Beratungsbedarf in Zeiten klammer Kassen, was ihre Klienten bewegt und warum Sie den Regensburger Facharzt und Bestsellerautor Prof. Volker Busch zum Vortragsabend in die Stadthalle geladen hat.
Stress, Ängste, Einsamkeit, Depressionen - offensichtlich geht’s gerade vielen nicht gut. Da erscheint ein niedrigschwelliges Angebot wie das der Beratungsstelle der Caritas als erstklassige Chance zur Besserung. Kann man sich an Sie wenden, wenn man sich "nur" Sorgen macht, oder braucht es dazu schon mehr als nur ein Gefühl?
Sandra Hindelang: Nein - wer glaubt, dass eine Beratung bei uns für ihn oder sie von Vorteil sein kann, der braucht keine Überweisung vom Hausarzt, sondern muss nur bei uns anrufen und bekommt verhältnismäßig kurzfristig einen kostenlosen Termin, an wir miteinander schauen, was es in der jeweiligen Situation braucht.
Wer kommt zu Ihnen in die Beratungsstelle?
Hindelang: Da gibt es eine große Bandbreite, sowohl was die Gründe als auch die demografische Herkunft betrifft. Es gibt junge Leute, die mit sich ein Problem haben, oder Angehörige, die mit dem Verhalten einer Person nicht mehr zurande kommen. Wir haben auch Patienten, die ihr Hausarzt zu uns schickt. Das Gros unserer Klienten ist eher mittleren Alters und bemerkt an sich selbst Veränderungen, oder hat bereits bekannte seelische Probleme.
Worin liegen die Ursachen?
Ist es tatsächlich dieses diffuse Gefühl, dass "alles immer schlimmer" wird, wie es oft heißt?
Hindelang: Pessimismus und Zukunftsängste begegnen uns bei Beratungen natürlich immer wieder, aber in der Regel handelt es sich um konkrete Probleme beispielsweise in der Familie oder am Arbeitsplatz. Oder es dreht sich um die Folgen einer konkreten psychischen Erkrankung.
Welche Hilfsangebote haben Sie für ihre Klienten?
Hindelang: Wir haben die Möglichkeit zur persönlichen oder telefonischen Einzelberatung. Es gibt Gruppenangebote, Angehörigengespräche, aber auch Haus- und Klinikbesuche. Darüber kümmern wir uns um Menschen vor oder nach Klinikaufenthalten. Wir sind also auch eine Art Lotsen im System ...
...bei dem die Wartezeit auf Termine bei Spezialisten oder in stationären Einrichtungen nur noch in Monaten gemessen werden ...
Hindelang: Das ist richtig und da prallen auch wir immer wieder gegen eine Wand. Zudem wachsen auch die Anforderungen an uns, weil wir versuchen, die Zeit bis dahin zu überbrücken.
Mit den Anforderungen wachsen aber erfahrungsgemäß häufig nicht die finanziellen Mittel ...
Hindelang: Die Beratungsstelle für seelische Gesundheit Landau ist eine Einrichtung der Caritas, die der Bezirk Niederbayern beauftragt hat. Dem Staat ist bewusst, dass die Zahl der seelischen Probleme und Erkrankungen wächst. Bekanntlich wachsen bei der öffentlichen Hand die Bäume finanziell gesehen nicht in den Himmel, was auch für unseren Bereich gilt. Mit der Folge, dass Fachkräfte nicht mehr aufgestockt werden und unser Defizit wächst - kurz gesagt: Das System läuft langsam voll.
Womit sich auch der Kreis zu den Kollegen von der klassischen Medizin schließt. Was also tun?
Hindelang: Einer Option, der auch in der klassischen Medizin mehr Bedeutung zustehen würde, ist die Prävention, also unser aller Eigenvorsorge, um psychische Erkrankungen zu vermeiden und die Widerstandsfähigkeit zu stärken
Mehr Bewegung, besser Essen und am besten Null Alkohol und Zigaretten - in der klassischen Medizin sind die präventiven Faktoren seit Jahren bekannt, wie sieht’s im seelischen Bereich aus?
Hindelang: Die allgemeine Wahrnehmung steigt auch hier, das zeigt schon ein Blick in die Bestsellerlisten. Dass mehr Bewegung und eine ausgewogne Ernährung beispielsweise auch gut für die Psyche sind, ist dagegen noch wenig verbreitet. Das gilt auch für die große Bedeutung von Schlaf oder sozialen Beziehungen für die seelische Gesundheit.
Da Sie an den großen Rädern der Gesundheitspolitik wenig drehen können, probieren Sie’s mit mehr Kommunikation. Sie haben den Psychiater, Neurologen und vor allem Bestsellerautor Prof. Volker Busch nach Landau zum Vortrag (11. Oktober, 19 Uhr, Stadthalle) eingeladen. Warum gerade ihn?
Hindelang: Professor Busch ist zum einen ein absolut kompetenter Fachmann, der durch seinen Wohn- und Arbeitsort Regensburg mit der Region und der seelischen Gesundheit der Leute hier gut vertraut ist. Er ist aber auch ein guter Kommunikator und charmanter Redner. Kurz gesagt: Man hört ihm einfach gerne zu.
"Kopf hoch" ist das Motto des Abends. Wer sollte ihrer Ansicht nach in die Stadthalle kommen?
Hindelang: Professor Busch wird an diesem Abend keinen Vortrag, halten, sondern, wie das Thema schon sagt, entspannt über das Themengebiet plaudern, worüber er ja schon mehrere Bücher geschrieben hat und auch in seinem Podcast spricht. Dazu gehört auch die Frage, was kann ich für mich selber tun?
Also wird "Kopf hoch!" am 11. Okober gleich in mehrfacher Hinsicht ein guter Abend fürs Wohlbefinden?
Hindelang: Absolut. Ich hoffe, auf eine buchstäblich geistreiche Unterhaltung - und wenn jeder Zuhörer für sich ein, zwei Tipps mit nach Hause nimmt, sollte der Besuch auch eine gute Stärkung für die Psyche sein.
Interview: Roman Hiendlmaier