Landau. Um die Versorgung psychisch kranker Menschen im Landkreis Dingolfing Landau steht es dramatisch schlecht, sagt die Beratungsstelle für seelische Gesundheit in Landau - von einer psychotherapeutischen Überversorgung laut Bedarfsplan berichten hingegen die KVB (Kassenärztliche Vereinigung Bayern) und die AOK Bayern. Wie kann das sein?
20,75 Kassensitze für Psychotherapie
Laut Stefan Berger, Pressereferent der KVB, gibt es im Landkreis Dingolfing-Landau 20,75 Kassensitze, die von 31 Ärzten und Psychotherapeuten besetzt sind. Darunter seien drei ärztliche Psychotherapeuten, 18 psychologische Psychotherapeuten sowie zehn Psychotherapeuten für Kinder und Jugendliche. Die Dezimalzahl von 20,75 Kassensitzen entsteht dadurch, dass nicht alle Therapeuten in Vollzeit arbeiten. Laut Sandra Hindelang, Leiterin der Caritas-Beratungsstelle für seelische Gesundheit, sind zudem drei Psychiaterinnen im Landkreis ansässig. Als niedrigschwellige Angebote stünden in Landau die Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern, die Fachambulanz für Suchtprobleme sowie die Ehe-, Familien- und Lebensberatung zur Verfügung.
"Das Angebot wächst nicht wie der Bedarf"
Jedoch: "Das Angebot wächst nicht, wie der Bedarf wächst", beschreibt Martin Hohenberger, Geschäftsführender Vorstand der Caritas, die Gesamtsituation. "Bei allen Angeboten braucht man einen Termin", führt Hindelang aus. Jedoch müssen Patienten ihr zufolge oft sehr lange Wartezeiten in Kauf nehmen oder kriegen gar keinen Termin: "Dann fühle ich mich schon mal nicht ernst genommen in meiner Problematik." Psychisch Kranke sind Martin Hohenberger zufolge unterversorgt. Dies führe zu chronischen, langfristigen Erkrankungen. Die Gefahr bestehe, dass Leute deshalb aus dem Arbeitsleben ausscheiden oder gar nicht erst den Start hineinschaffen.
"Wir hätten Potenzial für mindestens zehn zusätzliche Psychotherapeuten im Landkreis, aber es gibt keine Mehrung an Kassensitzen", beschreibt Sandra Hindelang. Laut Pressereferentin Helga Leirich von der AOK Bayern ist der psychotherapeutische Planungsbereich Dingolfing-Landau aus Sicht des Bedarfsplans der KVB hingegen mit 112,63 Prozent überversorgt. Dies bestätigt KVB-Pressereferent Stefan Berger. Es seien 18,42 Kassensitze mit Psychotherapeuten erforderlich; tatsächlich zugelassen seien 20,75. Helga Leirich erläutert weiter: "Somit ist der Planungsbereich vom Landesausschuss Ärzte und Krankenkassen für zusätzliche Zulassungen gesperrt."
6 bis 8 Monate Wartezeit für einen Therapieplatz
Gleichzeitig ist es laut Sandra Hindelang aktuell ganz normal, dass Patienten zwischen sechs bis acht Monate auf einen Psychotherapieplatz warten müssen. Zwar seien die Therapeuten verpflichtet, zweimal in der Woche Erstgespräche anzubieten, jedoch ermöglichen diese nur ein erstes Kennenlernen. "Dann geht die Wartezeit erst los", so Hindelang. Laut einer Studie der KVB lag die Wartezeit zwischen dem ersten Kontakt in der psychotherapeutischen Sprechstunde und dem Beginn der Psychotherapie für Patienten in Bayern in den Jahren 2019 bis 2021 bei 13,9 Wochen. Die Wartezeit bis zum Erstgespräch ist in diesem Wert aber nicht inbegriffen.
Zur derzeitigen Situation berichtet Sandra Hindelang: "Viele Therapeuten führen gar keine Wartelisten mehr, weil der Verwaltungsaufwand bei Praxen, die in der Regel gar keine Verwaltungskraft haben, viel zu hoch wäre."
Trotzdem betrachtet der Bedarfsplan der KVB den Landkreis als überversorgt. Das liegt daran, dass Über-, Regel- und Unterversorgung nicht anhand der Wartezeiten, sondern Verhältniszahlen bestimmt werden, so Stefan Berger. Diese Verhältniszahlen besagen, wie viele Menschen ein Psychotherapeut versorgen soll. Die Zielzahl legt der Gemeinsame Bundesausschuss fest. Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen kann nur in relativ geringem und regionalen Maße von dieser Zielzahl abweichen, wenn er die Zahl der Niederlassungsmöglichkeiten festlegt, erklärt Berger.
Tipps zur Suche nach einem Therapieplatz
Aber was macht man nun, wenn man keinen Therapieplatz bekommt? Wie Sandra Hindelang erklärt, führen die fehlenden Wartelisten dazu, dass derjenige eine Sprechstundengespräch bekommt, der zufällig dann beim Therapeuten anruft, wenn etwas frei wird. "Es ist gut für Betroffene, wenn sie am Ball bleiben", rät die Psychologin deshalb.
Stefan Berger weist auf die Terminservicestelle hin. Sie unterstützt gesetzlich Krankenversicherte online und telefonisch bei der Suche nach einem zeitnahen Termin für ein Erstgespräch. Für Patienten, bei denen im Erstgespräch Behandlungsbedarf festgestellt wurde bietet die KVB die Koordinationsstelle Psychotherapie . Diese hilft dabei, Kontakte zu geeigneten Psychotherapeuten und Spezialisten zu finden, die freie Therapieplätze gemeldet haben.
Die AOK-Bayern informiert, dass sie die Kosten bei nicht zugelassenen Psychotherapeuten übernimmt, wenn Wartezeiten oder längere Anfahrtswege zu Psychotherapeuten mit freien Kapazitäten nicht zumutbar sind.
Die Terminservicestelle der KVB ist rund um die Uhr telefonisch unter 116117 erreichbar. Zur Koordinationsstelle Psychotherapie gelangt man unter der Nummer 0921/88099-40410.
Dieser Beitrag ist Teil der Serie "Psychische Gesundheit".
Von Franziska Geer