Landau. Tausende Menschen hat die Beratungsstelle für seelische Gesundheit der Caritas bereits unterstützt. Am 1. Dezember feiert die Einrichtung 25 Jahre Bestehen. Leiterin und Psychologin Sandra Hindelang sprach mit der Heimatzeitung über die Entwicklung der Beratungsstelle seit ihrer Gründung. "Mit der Psychiatrie-Enquête von 1975 fing alles an", sagt Sandra Hindelang. Damals führte eine vom Bundestag bestellte und von einer Expertenkommission geleitete Untersuchung zur Erkenntnis, dass viele psychisch erkrankte Menschen unter elenden und zum Teil menschenunwürdigen Bedingungen in den psychiatrischen Großkrankenhäusern lebten. Als Reaktion auf die Enquête wurde entschieden, in jedem Landkreis mindestens eine Beratungsstelle zu gründen. "Dies war die Geburtsstunde der sogenannten sozialpsychiatrischen Dienste, die dann flächendeckend aufgebaut wurden. Der Plan war, eine gemeindenahe Versorgung zu ermöglichen und diese großen Einrichtungen abzuschaffen, auch zugunsten von vielen ambulanten Einrichtungen, damit die Menschen in ihrem häuslichen Umfeld leben können und trotzdem eine Unterstützung und Versorgung bekommen", erklärt die Leiterin der Landauer Stelle. So wurde 1996 die Beratungsstelle, damals unter dem Namen "Sozialpsychiatrischer Dienst für den Landkreis Dingolfing-Landau", gegründet. "Die Landkreise mit mehr Einwohnern waren deutlich früher dran", so Hindelang. Zwischen Umzugskartons und unaufgebauten Möbeln "Zwischen unaufgebauten Möbeln und Umzugskartons gingen schon die ersten Beratungen los, weil Menschen das Interesse hatten." Eine Beraterin, ein Berater und eine Teilzeit-Verwaltungskraft bildeten das damalige Team. Heute sind es vier Beraterinnen und eine Verwaltungskraft: Sandra Hindelang, Stellenleiterin und Diplom-Psychologin; Nicole Neuhofer, Diplom-Sozialpädagogin; Ingrid Raab-Neiser, Diplom-Sozialpädagogin und Psychoonkologin; Susanne Gruber, Pädagogin (MA); und Iris Käser, Verwaltungsangestellte. "Die Beratungsstelle hat sich entwickelt und wurde immer größer über die Zeit", so Hindelang. Anders als in der Psychotherapie, die sich auf den psychischen Zustand des Patienten und dessen Behandlung konzentriert, betreibt die Beratungsstelle eher psychosoziale Begleitung. "Oft haben Leute nicht nur psychische Probleme, sondern auch Probleme am Arbeitsplatz, in der Existenzsicherung, vielleicht drohende Wohnungslosigkeit. Sie brauchen eventuell andere Unterstützungsverfahren wie ambulantbegleitetes Wohnen." Deshalb befasst sich das Team um Sandra Hindelang viel mit Netzwerkarbeit, sogenanntem Case-Management: "Wir versuchen alle Probleme, die außenrum noch da sind, entweder als Folge oder als Ursache der psychischen Erkrankung, zu lösen." Dafür setzen sozialpsychiatrische Dienste auf Perspektivenvielfalt. Aus diesem Grund bestehen die Teams der Beratungsstellen für seelische Gesundheit aus verschiedenen Berufsgruppen. So können sich Teammitglieder gegenseitig beraten und unterstützen. Wöchentlich sind es im Durchschnitt 50 bis 70 Termine, die bei der Landauer Beratungsstelle stattfinden, "momentan sind es mehr". Jede Woche bietet die Stelle auch in Dingolfing Außendiensttage an. "Es ist allerdings viel zu wenig für Dingolfing", so Diplom-Psychologin Hindelang. Diese Einrichtung ist auch die einzige ihrer Art im ganzen Landkreis. "Wir sehen uns als Schaltstelle, wenn Leute merken, dass sie seelisch belastet sind oder Angehörige eine psychische Erkrankung oder Belastung haben. Wir versuchen weiterzuvermitteln. Momentan ist es aber schwierig. Wir haben zwar viele Psychotherapeuten im Landkreis im Vergleich zu vor ein paar Jahren, aber die Wartezeiten sind aktuell enorm lang." Wartezeit bei Therapeuten bis zu einem Jahr Bei manchen Therapeuten beträgt die Wartezeit bis zu einem Jahr, teilt die Leiterin der Beratungsstelle mit. Ihre Einrichtung habe das Ziel, die Menschen möglichst zeitnah zu versorgen, normalerweise innerhalb von einer bis zwei Wochen einen Ersttermin anzubieten, aktuell betragen die Wartezeiten jedoch etwa vier Wochen. Der Grund dafür ist Hindelang und ihrem Team bekannt: "Jetzt kommt die von Corona verursachte Problemwelle bei uns an." In den ersten Lockdowns seien die psychosozialen Begleiterinnen erstaunt gewesen, dass das Thema bei ihnen gar nicht so stark aufgetreten ist. Diese Folgeproblematik, die jetzt auftauche, sei es durch Arbeitslosigkeit oder Isolation, verschärfe psychische Erkrankungen, da auch Versorgungsangebote weggebrochen sind. "Diese Welle ist jetzt bei uns voll angekommen. Sie war bei den Psychotherapeuten zuerst da, weil sich die Menschen erstmal in die Psychotherapie begeben haben, und deswegen sind die jetzt vollbesetzt. Wir müssen mit Wartezeiten arbeiten, es geht nicht anders." Klienten-Bedürfnisse haben sich geändert In den letzten 25 Jahren haben sich die Klienten-Bedürfnisse geändert. Waren es anfangs häufig noch Menschen mit chronischen psychischen Erkrankungen aus dem Bereich der Schizophrenie, so hat sich der Schwerpunkt inzwischen zu Menschen mit Depressionen und Angststörungen verlagert. Auch das Durchschnittsalter der Ratsuchenden ändert sich. Auch wenn die Meisten ab 40 Jahre aufwärts die Beratungsstelle besuchen, nimmt die Anzahl jüngerer Hilfsbedürftiger in den letzten Jahren laut Hindelang stark zu. "Die Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren gravierend verändert. Wir haben die Themen Vereinzelung, Globalisierung und maximale Mobilität, Leistung und immer schneller werdende Welt. Diese Entwicklung war für unsere Evolution zu schnell", vermutet die Psychologin. Dies verursache einen enormen Druck, selbst für junge Menschen, die damit aufwachsen. Diese spüren nicht einmal, wie sehr sie das stresst. Dafür wurde sogar der Begriff "Stress-Blindheit" erfunden. Auch dies führe zu Ängsten, Depressionen und Burnouts. Die älteren Generationen laufen durch Digitalisierung eher Gefahr, von der Gesellschaft abgehängt zu werden.
Infos zur Beratungsstelle
Die Beratungsstelle für seelische Gesundheit befindet sich bei der Caritas in der Dr.-Godron-Straße 3. Jeder Hilfesuchende oder Angehörige kann einen Termin vereinbaren unter der Telefonnummer 099519851/15 oder per Email unter <a mail"="" href="mailto:spdi@caritas-landau.de">spdi@caritas-landau.de, auch anonym. Klienten müssen jedoch volljährig sein und sich aus freien Stücken melden. Die größte Hürde bilde nach wie vor die Stigmatisierung von psychisch erkrankten Menschen in der Gesellschaft, wie Sandra Hindelang bedauert und betont: "Manche haben Rückenprobleme, andere haben seelische Probleme. Für mich gibt es keinen Unterschied." Die Stelle wird über den Bezirk Niederbayern finanziert. Zusätzlich kommen Eigenanteile der Caritas hinzu.
Von Till Monet