Die Caritas Landau merkt die Folgen von Krisen und Inflation gleich doppelt: Die Hilfsangebote sind stark ausgelastet, die Zahlen in den Geschäftsbüchern rot, sagt Martin Hohenberger.
Der 51-Jährige ist seit dem 1. Januar 2023 Nachfolger des langjährigen geschäftsführenden Vorstands Rudi Kramer. Trotz Krisen hat Hohenberger zum Ende seines ersten Jahres im Amt ehrgeizige Zukunftspläne für die Caritas.
Herr Hohenberger, Sie sind seit einem Jahr geschäftsführender Vorstand der Caritas Landau und haben für diese Aufgabe die Stelle als
Büroleiter des Bundestagsabgeordneten Thomas Erndl (CSU) aufgegeben.
Haben Sie diese Entscheidung bereut?
M a rt i n H o h e n b e rg e r : Nein, das habe ich durch die Bank weg nicht bereut. Das war eine richtige Entscheidung. Ich bin an dem Punkt, an dem ich jetzt bin, richtig.
Wie würden Sie Ihr erstes Jahr bei der Caritas beschreiben?
H o h e n b e rg e r : Es war ein intensives Jahr. Auf der einen Seite musste ich mich fachlich in völlig neue Themen einarbeiten, auf der anderen Seite hat eine ganze Menge Aufgaben auf mich gewartet. Im Investitionsbereich war einiges liegengeblieben, dazu gab es an bestimmten Punkten - etwa beim Datenschutz und Arbeitsschutz - größeren Nachholbedarf, als ich vorausgesehen habe. Dadurch war meine Arbeitsbelastung in diesem Jahr exorbitant hoch. Ich bin es gewohnt, viel zu arbeiten. Aber in der Breite habe ich nicht erwartet, dass so viel auf mich zukommt.
Dazu ist Ihr erstes Jahr bei der Caritas Landau in schwierige Zeiten gefallen. Die Inflation steigt, die Menschen sind verunsichert. Wie wirkt sich das bei einem Sozialverband wie der Caritas aus?
H o h e n b e rg e r : Die Antwort darauf hat zwei Teile. Der erste: Ja, die Zeiten sind schwer und wir merken das durch die Bank weg, egal in welchem Dienst. Insbesondere im sozialpsychiatrischen Dienst, der Menschen berät, die in einer persönlichen Krise stecken, gibt es einen Zulauf, den wir kaum noch bewältigen können. Die Krankmeldungen wegen psychischer Erkrankungen sind bundesweit deutlich gestiegen. Zu unserer allgemeinen Sozialberatung kommen Menschen, deren Strom abgestellt wurde, die etwas zu Essen brauchen, die es sich nicht mehr leisten können, den kaputten Kühlschrank zu reparieren. Auch da kommen wir kaum hinterher, die Themen abzuarbeiten.
Sie sagten, die Antwort auf die Folgen der Krisen hat zwei Teile. Was ist der zweite Teil der Antwort?
H o h e n b e rg e r : Auch wir Sozialverbände leiden unter den Krisen. Vor Kurzem hat das Diakonische Werk in Passau Insolvenz angemeldet. In Hof ist eine Sozialstation der dortigen Caritas insolvent. Es gibt zwei Altenheime in Niederbayern, die von Insolvenz bedroht sind, im Münchner Raum hat schon eines zugemacht. In allen Tarifen gibt es hohe Abschlüsse. Unsere Lohnkosten, im unteren Einkommensbereich, sind um rund 19 Prozent gestiegen. Es gab heuer Monate, in denen haben wir weniger erwirtschaftet, als wir allein zum Bezahlen der Löhne gebraucht hätten. Unsere Mitarbeiter haben immer pünktlich ihren Lohn erhalten, weil die Caritas Landau gut genug aufgestellt ist, um das zu puffern. Wir sind weit entfernt von einer Insolvenz, ich will da keine Panik machen. Aber wenn oben nicht mehr genug Geld ins System reingekippt wird, dass man unten die Fixkosten bezahlen kann, muss man kein Betriebswirt sein, um zu verstehen, dass das auf Dauer nicht funktioniert.
Wo kommt das Geld der Caritas her und wer müsste da mehr oben ins System schütten?
H o h e n b e rg e r : Die Zuwendungen für behinderte und psychisch kranke Menschen kommen vom Bezirk. Der Zuschuss ist aber nicht entsprechend gestiegen, wie die Gekommt alles von den Pflege- und Krankenkassen. Die Caritas in Bayern hat seit Jahresanfang mit den Kassen über diese Sätze gestritten. Da gibt es mit Wirkung zum Oktober eine Einigung. Was erzielt worden ist, ist okay. Aber von Januar bis Oktober sind wir defizitär gelaufen.
Für das nächste Jahr bräuchten wir knapp vier Millionen Euro Einnahmen, um unsere Ausgaben zu decken. Aber die haben wir nicht. Uns fehlen gut 250000 Euro.
Können Spenden diese Lücke schließen?
H o h e n b e rg e r : Wir bekommen Mittel aus Spenden. Die sind extrem wichtig und ohne sie würde es nicht gehen. Da sind wir echt für jeden Betrag dankbar. Aber das ist natürlich begrenzt. Dauerhaft muss die Refinanzierung über die Krankenkassen oder den Bezirk laufen. Es braucht eine politische Lösung.
Und die Politik wird immer dann aktiv, wenn Krisen stärker werden.
Darum verstehe ich, dass jetzt erste Einrichtungen von Sozialverbänden Insolvenz anmelden und nicht immer noch gucken, wie es doch noch irgendwie geht. Irgendwann müssen die Rahmenbedingungen so geändert werden, dass wir leistungsfähig bleiben. Kurzfristig muss bei der Caritas Landau niemand Angst um seinen Pflegedienst oder um seinen Arbeitsplatz bei uns haben. Aber dauerhaft braucht es solidere Finanzierungssysteme.
Fast jede Branche sucht Mitarbeiter. Hat die Caritas genug Personal?
H o h e n b e rg e r : Das ist ein Riesenthema für uns. Für mich ist wichtig, dass es für die Mitarbeiter attraktiv ist, für uns zu arbeiten. Der Tarif hat schon stark zugelegt. Wir haben außerdem die Rahmenbedingungen verbessert und viel investiert. All das haben unsere Mitarbeiterinnen auch mehr als verdient. Das fängt schon bei den Autos in der ambulanten Pflege an. Die sind zu einem Drittel erneuert worden. Das Auto ist der Arbeitsplatz der ambulanten Pflegekräfte. Wenn die früh morgens einsteigen und nicht einmal eine Sitzheizung haben - das geht heute nicht mehr.
Alle anderen brauchen Büroräume, die den Anforderungen entsprechen und eine funktionierende EDV und vielleicht mal einen guten Kaffee dazwischen. Das bieten wir. Trotzdem sind wir ständig auf der Suche nach neuen Mitarbeitern.
Haben Sie Pläne, wie sich die Caritas Landau entwickeln soll? Oder stehen weiter die Aufarbeitung und die Finanzierung der bestehenden Aufgaben im Fokus?
H o h e n b e rg e r : Ein paar Sachen, die aufgearbeitet werden müssen, stehen noch aus, aber wir sind schon intensiv dabei, Sachen neu zu platzieren. Wir wollen das Ehrenamt zugänglicher machen und unsere ehrenamtlichen Mitarbeiter besser schulen. Als ehemaliger Geschäftsführer des Kreisjugendrings Deggendorf bringe ich einige Erfahrung in der Arbeit mit Ehrenamtlichen mit. Auf der anderen Seite überlegen wir, zusätzlich zu unserer ambulanten Pflege eine Tagespflege aufzubauen. Diese bietet pflegenden Angehörigen die Möglichkeit, in die Arbeit zu gehen, ohne dass Sie Angst haben müssten, dass ihren Angehörigen daheim etwas passiert. Ich glaube, es ist gesellschaftspolitisch eine ganz wichtige Aufgabe, solche Tagespflegen überall vorzuhalten. Diese Infrastruktur wird letztendlich so wich-
tig werden wie Kitas oder Kindergärten. Das versuchen wir nächstes Jahr intensiv anzugehen.
Sie haben die schwierige finanzielle Lage und den Mitarbeitermangel angesprochen. Trotzdem wollen Sie das Angebot ausbauen?
H o h e n b e rg e r : Die Belastung in der Tagespflege ist für die Mitarbeiter nicht so hoch wie im ambulanten Dienst. Man kann einen Patienten auch mal zu zweit heben, es gibt mechanische Hilfen. Auf Dauer schafft das für unsere Mitarbeiter sogar eine Perspektive, auch dann bei der Caritas zu bleiben, wenn man den ambulanten Dienst nicht mehr leisten kann. Ich will alle unsere Angebote schrittweise ausbauen. Wir müssen breit und gut aufgestellt sein. Nur dann ist man in der Lage, den einen oder anderen finanziellen Rückschlag auch zu kompensieren. Am Ende muss man wahrscheinlich auch zusammenwachsen. Mit wem oder was, muss man sehen. Ich spreche hier nicht von Fusionen oder Übernahmen. Aber um die Aufgaben dauerhaft zu bewältigen, brauchen wir wahrscheinlich größere Verbunde.
Interview: Andreas Kerscher
Im Interview mit der Landauer Zeitung blickt Martin Hohenberger auf die Herausforderungen seines ersten Jahrs als geschäftsführender Vorstand der Caritas Landau zurück.
Foto: Andreas Kerscher