Landau. Sie wird bereits sehnlichst erwartet und mit einem breiten Lächeln begrüßt: Andrea Rücker-Weier von der Flüchtlings- und Integrationsberatung der Caritas Landau geht in die Containeranlage in der Röntgenstraße. 163 Flüchtlinge sind dort derzeit untergebracht. Ihre Schützlinge stehen bereits Schlange, als der Sicherheitsdienst einen Raum für die Beratung aufschließt. Denn: Sie wissen, dass das Team der Caritas helfen möchte und sie dort mit sämtlichen Problemen hinkommen können. "Wir können zwar nicht jede Not lindern", sagt Andrea Rücker-Weier, gleichzeitig betont sie: "Aber wir können zuhören." Und gerade das sei wichtig - den Flüchtlingen Gehör zu schenken, ihnen zu vermitteln, dass sie nicht allein sind.
Etwas müssen sich die Männer, die bereits warten, allerdings noch gedulden. Andrea Rücker-Weier muss erst einmal ihr mobiles Büro mit Laptop herrichten. Neben ihr nimmt Dolmetscher Mohamad Mohamad Platz. Er unterstützt das Team der Caritas, will etwas zurückgeben. 2015 ist er mit der ersten Flüchtlingswelle nach Deutschland gekommen und weiß ganz genau, wie sich die hilfesuchenden Menschen gegenüber auf dem Stuhl fühlen.
Kaum sind beide eingerichtet, kommt auch schon der erste Mann zur Tür rein. Der gebürtige Türke will wieder zurück in die Heimat. "Dort geht es den Menschen wirtschaftlich sehr schlecht", berichtet Andrea Rücker-Weier. Das ist aber für den deutschen Staat nicht Grund genug, den Menschen Asyl zu gewähren. Sie verweist ihn an die Rückkehr-Beratung in Deggendorf. Weil ihm eine Abschiebung droht, wäre es besser, wenn er freiwillig zurück geht. "Dann hat er noch Anspruch auf Unterstützung, auch im Heimatland."
Viele sind mit deutscher Bürokratie überfordert
Anders sieht es bei dem gebürtigen Syrer aus, der als nächstes zur Beratung kommt. Er will in Deutschland bleiben - und auch arbeiten. Bis er jedoch eine Stelle findet, braucht er anderweitig Geld. Deshalb ist er mit einem Antrag auf Bürgergeld gekommen, den Andrea Rücker-Weier zusammen mit ihm ausfüllt. Er ist sehr organisiert, hat einen schwarzen Ordner mit seinen gesamten Papieren dabei. "Da ist er einer der wenigen", sagt Andrea Rücker-Weier und lacht. Die meisten seien mit der deutschen Bürokratie schlichtweg überfordert, weiß sie.
Der junge Mann hat bereits einen sogenannten "Subsidiären Schutz" - den bekommt man, wenn im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht. Während die Beraterin dem Besuch der Landauer Neuen Presse das erklärt, will es der junge Mann dem Team der Caritas wärmer machen. Die Heizung funktioniert nicht, im Beraterzimmer ist es so kalt, dass Andrea Rücker-Weier noch ihre Jacke an hat. Also will der gebürtige Syrer helfen und versucht, die Heizung in Gang zu bringen.
Meist sind es ganz grundlegende Sorgen, die die Flüchtlinge quälen: "Wo werde ich schlafen? Wann bekomme ich was zu Essen? Wie kann ich mich finanziell absichern?", zählt Lisa Lilienberg auf. Auch sie arbeitet bei der Caritas Flüchtlingsberatung. Die beiden Damen helfen den Menschen dann beispielsweise beim Papierkrieg. Sie gehen mit ihnen die Dokumente durch, die von den Behörden und dem Jobcenter regelmäßig eintreffen, helfen dabei, die Anträge beispielsweise für Kindergeld zu stellen und unterstützen auch während des Asylverfahrens. Oft liege da das Problem bei der Amtssprache, hat Andrea Rücker-Weier schon festgestellt. Die meisten Briefe seien nämlich durchaus in die jeweilige Muttersprache übersetzt, "aber das verstehen die meisten trotzdem nicht".
Und sie weiß, wovon sie spricht. Denn: Die Sorgen und Nöte der Flüchtlinge kennen Andrea Rücker-Weier und Lisa Lilienberg genau. Sie sind nah dran an den Leuten, die in Landau ankommen, in der Bergstadt Schutz suchen und letztendlich in einer Asylbewerberunterkunft landen.
Und das geht weit über das Antragstellen hinaus: Wenn einer ihrer Schützlinge beispielsweise eine hohe Nebenkostennachzahlung aufbringen muss, kann es durchaus auch vorkommen, dass die Damen mit den Stadtwerken verhandeln, damit der Strom nicht abgestellt wird, auch bei Schul- und Kindergartenanmeldungen helfen sie, unterstützen beim Lebenslauf-Schreiben, vermitteln Dolmetscher, sie sind oft die erste Anlaufstelle bei verhaltensauffälligen Kindern oder eben traumatisierten Menschen, zählt Andrea Rücker-Weier auf. "Eben alles was das Leben angeht, damit sie irgendwann autark leben können", betont sie. Und wenn sie mal nicht weiterwissen, dann fungieren sie eben als "Bindeglied" und vermitteln an andere Dienststellen weiter.
Die Beratungen laufen entweder im Büro der Caritas ab oder direkt vor Ort. So sind die zwei Frauen beispielsweise jeden Montag für drei Stunden in der Röntgenstraße. Auch in Eichberg bei Eichendorf und in Simbach sind sie in den Unterkünften, um zu unterstützen. Zusätzlich zu den ganzen Papieren brauchen die Flüchtlinge auch Hilfe bei ganz grundlegenden Dingen wie bei Terminvereinbarungen mit Ärzten oder Banken.
Caritas wird bei den Flüchtlingen "glorifiziert"
"Da wird die Caritas fast schon glorifiziert", sagt Andrea Rücker-Weier und lächelt. "Die denken, wir können alle Probleme lösen." Natürlich sind den Damen von der Flüchtlingsberatung aber auch häufig die Hände gebunden. "Wir können auch keine Facharzt-Termine herzaubern", nennt sie ein Beispiel. Wenn die Leute da teilweise wochen- oder sogar monatelang darauf warten müssen, bis die Beschwerden von einem Arzt untersucht werden, ist die Enttäuschung oft groß. "Da müssen wir dann eben erklären, dass es uns nicht anders geht und das nichts damit zu tun hat, dass sie Ausländer sind."
Generell müssen die Frauen ganz viel Aufklärungsarbeit leisten, berichten sie, schließlich sind sie häufig die erste Anlaufstelle für die Flüchtlinge. "Wir erzählen ihnen, wie das Leben in Deutschland ausschaut, was machbar ist und welche Kultur wir haben", erzählt Lisa Lilienberg.
Gerade als junge Frau hat sie sich von geflüchteten Männern auch schon "dumme Sprüche", wie sie sagt, anhören müssen. Aber diese anfänglichen Probleme seien schnell geklärt worden, betont sie. "Man muss schon eine gewisse Haltung haben, selbstbewusst auftreten." Dann werde man schnell akzeptiert und auch für die Arbeit respektiert, hat die 22-Jährige festgestellt. Nach ihrem Sozialpädagogik-Studium hat sie sich für diesen Job entschieden, weil sie "nicht mehr wegschauen" wollte, wie die meisten anderen. "Die merken schnell, dass wir ihnen helfen wollen und die meisten sind für jede Hilfe sehr dankbar", weiß sie.
Davon kann "Mama Rücker-Weier" - wie sie gerade von den jüngeren Flüchtlingen gerne genannt wird - ein Lied singen. "Für manche wird man da schon Mutter-Ersatz", sagt sie und lächelt. Und dieser Umstand spielt ihr auch in die Karten: Für ihre Hilfe wird sie sehr geschätzt und auch respektiert. Das war auch schon so, als sie 2015 ehrenamtlich in einer Straubinger Erstaufnahme für Flüchtlinge als Sozialpädagogin mit der Security Nachtdienste machte, um die Neuankömmlinge in Empfang zu nehmen. Sie sah, wie froh die waren, dass jemand da war und helfen wollte. "Dadurch bin ich erst zu diesem Job gekommen", sagt sie. Als sie von der freien Stelle in Landau hörte, hat sie sich kurzerhand beworben. Seit 2016 hilft sie also den Menschen, die in der Bergstadt Schutz suchen.
Auch von denen schätzen die meisten ihre Arbeit sehr: Wenn sie beispielsweise mal einen ihrer Schützlinge beim Einkaufen trifft, ist es schon vorgekommen, dass der unbedingt ihre Einkaufstasche zum Wagen bringen wollte. Manche wollten sie auch schon bekochen - um ihrer Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen. Sie weiß, dass sich die meisten Asylsuchenden sehr nach menschlichem Kontakt sehnen.
Aber: Es halten sich hartnäckig einige Vorurteile gegenüber den Ausländern. Da müssen die beiden auch oft nach außen Aufklärungsarbeit leisten. "Das wird manchmal im Bekanntenkreis nicht ganz verstanden, warum man das beruflich macht", erzählt sie. Zusätzlich macht es natürlich auch die Sprachbarriere nicht gerade leicht, Anschluss zu finden. Deshalb ist es den Frauen besonders wichtig, schnell Deutschkurse vermittel zu können.
Seit März verstärkt eine weitere Kraft das Team
Seit März verstärkt eine weitere Kraft die Flüchtlingsberatung der Caritas, die neue Kollegin wird derzeit eingearbeitet. "Zum Glück, haben wir jemanden gefunden", sagt Andrea Rücker-Weier. Denn: "Wenn es jetzt wärmer wird, werden sich wieder viele auf den Weg machen."
Die einzelnen Schicksale gehen auch den beiden manchmal nah. "Das nimmt man dann schon auch manchmal mit nach Hause", gestehen sie. Deswegen ist ihnen ihre Arbeit auch so wichtig, um den Schutzbedürftigen zu helfen, damit sie hier ein besseres Leben haben können.
Auch Martin Hohenberger, Geschäftsführender Vorstand, ist es als Verantwortlichem des Verbandes wichtig, dieses Angebot aufrecht zu halten. "Dies geht am Ende nur durch die landesweiten Mitteln, die vom Freistaat kommen, und der Unterstützung des Caritas Landesverbandes." Auch der Landkreis unterstütze die Beratungsstelle. "Am Ende arbeiten wir mit allen Akteuren ja Hand in Hand, egal ob Landratsamt, Jobcenter oder den Kollegen von der Caritas in Dingolfing. Wenn die Menschen bei uns vor der Türe stehen, wollen wir alle unterstützen und mithelfen. Das ist alternativlos."
Text: Madeleine Klee