Landau.
Man muss nicht Soziologe sein, um zu erkennen, dass die Stimmung gerade nicht die beste ist. Sozialer Wandel, Preissteigerung, Konjunkturflaute, Kriege - viele kommen mit dem Sorgen machen nicht mehr hinterher. Aber warum sind so viele Menschen antriebslos und pessimistisch? Was passiert in unseren Köpfen, wenn die Welt um uns herum vermeintlich aus den Fugen gerät? Antworten auf diese Fragen gibt am 11. Oktober in der Landauer Stadthalle Prof. Dr. Volker Busch. Der Regensburger Neurowissenschaftler, Psychiater und Bestseller-Autor hat vorab mit der Landauer Zeitung gesprochen, wie wir die Herausforderungen mental meistern und innere Stärke finden können, auch in negativen Zeiten positiv zu bleiben.
Wenn eine Koryphäe in Sachen Neurologie auf Basis eines seiner Bücher einen Vortrag hält: Sollte man sich Sorgen machen, ihnen am 11. Oktober in der Landauer Stadthalle folgen zu können? Volker Busch: Niemand muss sich Sorgen machen, wenn ein Psychiater ins Haus steht. Versprochen! Ich möchte die Begeisterung für unser tolles Gehirn wecken.
Was erwartet die Zuhörer an diesem Abend? Busch: Es wird spannende Neuigkeiten dazu geben, wie wir schwierige Lebenskrisen besser überstehen. Und es wird unterhaltsam. Denn schwere Themen verpackt man am besten leicht.
Ein "klassischer" Beginn vieler Klagen lautet: "Das hätte es früher nicht gegeben" oder "Früher wäre bei sowas..." War früher tatsächlich alles besser?
Busch: Nein, das ist eine eindeutige Fehlwahrnehmung. Früher war fast nichts besser. Wir "vergessen" Fortschritt nur, weil wir uns schnell an Verbesserungen gewöhnen und dann für selbstverständlich halten. Ein kurzer Blick zurück kann dann helfen, nicht den Maßstab zu verlieren. Was sich aber verändert hat, ist die Dichte an Nachrichten. Wir erfahren heute (zu) viel von der Welt. Das erzeugt das Gefühl, die Welt stünde überall am Abgrund. Aber das tut sie nicht. Wir hören und sehen nur jeden Schicksalsschlag, jedes Verbrechen, jede Wirtschaftskrise. Die Untergangsstimmung ist also in erster Linie gefühlt.
Wer, wenn nicht wir Medienleute wissen, dass schlechte Nachrichten mehr Aufmerksamkeit generiere früher wie heute übrigens. Sie sprechen vom "mentalen Immunsystem", das durch negative Infos beeinträchtigt wird. Was meinen Sie damit?
Busch: Schlechte News oder pessimistische Prognosen können sich wie Krankheitserreger verhalten, die uns "anstecken". In der Literatur wurden Informationen immer schon gerne mit "Viren" verglichen. Sie verhalten sich ähnlich: Sie verbreiten sich sehr schnell, und infizieren in Windeseile große Menschenmengen. Unser mentales Immunsystem schützt uns, an der "Welt zu erkranken". Aber bei der Menge an News ist es bei vielen heute überfordert. Ein gesunder Abstand und Schutz vor zu viel Informationen kann dann helfen, nicht selbst krank zu werden.
Wenn jemandem die Existenz dieses "mentalen Immunsystems" bewusst ist, kann er/sie auch Maßnahmen ergreifen, dieses System zu stärken?
Busch: Ja, absolut. Neben Schutzmaßnahmen sind auch Stärkungsmaßnahmen sinnvoll. Dazu zählt etwa, den Blick für das Gute, das Gelingende nicht zu verlieren. Dazu gehört ferner Humor, sich also trotz aller Schwierigkeiten eine gewisse Leichtigkeit zu bewahren. Dazu gehören auch kleine Handlungserfolge im Leben, die einem zeigen, dass man gar nicht so ohnmächtig ist, wie man glaubt. Noch ein Vergleich mit der körperlichen Medizin: Bei welcher Ausprägung von schlechter Laune, Besorgnis, oder Schwermut würden Sie sagen, dass Selbstheilungskräfte wirken können und ab wann braucht es fachmännische Hilfe? Busch: Das muss man im Einzelfall entscheiden, da hier sehr viele Faktoren eine Rolle spielen, die darüber entscheiden, ob der Mensch fachliche Hilfe braucht, oder er sich mit Hilfe von Familie oder Freunden selbst helfen kann. Eine Faustregel lautet: Wenn Schwermut oder Antriebslosigkeit mehr als drei Monate anhalten, sollte man einen Fachmenschen aufsuchen.
Hätten Sie noch Tipps parat, was man tun soll, wenn die Sorgen mal wieder überhandzunehmen drohen, oder im Gespräch Stimmungskiller wie Politik oder Klimawandel aufkommen?
Busch: Der erste Schritt ist immer, sich zu überlegen, ob man das Problem lösen kann. Kann man es, sollte man genau das angehen. Ist das nicht möglich, ist es sinnvoll, sich vom "Overthinking" zu befreien, so gut es geht. Das gelingt besonders gut, wenn man sich Probleme von der Seele spricht oder schreibt. Insbesondere das Schreiben hat sich als sehr effektiv erwiesen. Das Spannende ist, dass man beim Formulieren oft sogar einen Lösungsweg findet. Eine andere Möglichkeit ist, den hyperaktiven Geist mit einer körperlichen Beschäftigung abzulenken, angefangen vom Sport, über das Musizieren bis zum Handwerken oder Basteln.
Von Roman Hiendlmaier